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HÖRZU
FARBBEILAGE EINES ÖSTERREICHISCHEN TV - MAGAZINS
DEZEMBER 1973
Eva Ottawa |
Sie könnten von einem Mitglied der Wiener
Schule der
>Phantastischen Realisten sein diese leuchtenden Bilder voller
figürlichem Einfallsreichtum; aber weder Wolfgang Hutter
noch Anton Lemden hat sie gemalt, sondern der erst elfjährige
Luigi La Speranza. Doch der große Kollege Ernst Fuchs redet
das >Wunderkind< durchaus zu dieser Gruppe, und Sammler
bezahlen schon hübsche Preise für seine ersten verkäuflichen
Werke
An Hand des elfjährigen
Wiener Malwunders Luigi La Speranza untersucht das Kulturmagazin GONG das
Phänomen >Begabung<
GESPENSTER FÜR DIE VORRATSKAMMER
Luigi ist kein Wunderkind", sagt Mutter Zita
La Speranza, "aber was er malt und wie er malt - das ist ein Wunder!"
Im 13. Wiener Bezirk, in der Jagdschloßgasse 24,
bewohnt Familie La Speranza (der Vater, Italiener, ist Dolmetscher, die
Mutter, Wienerin, ehemalige Tänzerin und Choreographin) seit einiger
Zeit eine einstockige Villa. Was mit dem ersten Stock eines Tages geschehen
soll, ist heute schon klar: "Hier wird das Mal-Atelier für Luigi entstehen!"
Noch ist das Haus ganz provisorisch eingerichtet, aber
die goldenen Tapeten im Salon und im >Blumenzimmer< sind so ausgesucht
worden, "daß sie zu Luigis Arbeiten passen".
Der 11 jährige hat seiner Mutter zu Weihnachten 1972
einen runden Tisch verehrt, dessen Platte zunächst von einem Handwerker
säuberlich grundiert und dann von dem jungen Maler in monatelanger
Arbeit mit seinen bereits berühmt gewordenen Fabelwesen bedeckt wurde.
Ein Gespensterballett in herrlichen Farben. Luigi malt nur mit leuchtenden
Tuschen und Filzstiften,
wobei er den Hintergrund als feinen Wellenlinien zusammensetzt.
Luigi La Speranza ist ein zierliches Kind, man könnte
ihn sogar für noch jünger halten, wenn nicht seine dunklen Augen
wären, in denen sehr viel Verstand und Beobachtungsgabe liegen. Und
wenn man bei diesem Buben nicht einen für sein Alter ungewöhnlich
ausgeprägten Nettigkeitssinn feststellen konnte: Er räumt gleich
wieder alles weg, was er für den HÖRZU-Fotagrafen herbeigeschleppt
hat.
"Beim Malen ist diese Ordnungsliebe noch viel größer",
sagt die Mutter, "da darf sein kleiner Bruder Marcello - er ist ein Jahr
jünger - nichts anrühren, sonst wird Luigi ganz böse"
Kollege Ernst Fuchs, der den l1 jährigen neidlos
in die illustre Gruppe der >Phantastischen Realisten< eingereiht hat,
findet daran nichts Unkindliches: Seine Nettigkeit, seine Besessenheit,
mit der er jede freie Minute über den Zeichnungen sitzen kann, zeigen
Talent. Das unterscheidet ihn eben von Durchschnittskindern, die eine Weile
herumkritzeln und dann zu etwas anderem übergehen."
In >Gong< wird an Hand von Luigi La Speranza über das Phänomen
>Begabung< gerätselt. Über die Erscheinung, daß durch
die Pubertät aus Ungewöhnlichem Mittelmaß werden kann.
"Bei Luigi glaube ich nicht ans Versiegen der Phantasie, schließlich
ist er auch nicht mehr so jung. Aber er könnte durch den Reifungsprozeß
plötzlich andere Interessen bekommen...", überlegt Fuchs.
"Ich will einmal Maler werden", sagt Luigi bescheiden,
und seine Augen glänzen: "Was denn sonst?!"
"Dass sein Talent eines Tages verschwinden könnte?
Daran wollen wir gar nicht denken, so etwas darf man gar nicht aussprechen...",
meint die Mutter erschrocken.
Ernst Fuchs: "Derlei muß aber leider einkalkuliert
werden. Mag sein, ein Wunderkind wird eines Tages Maler - aber ob es sein
Niveau halten kann, ob man dann nicht ungünstige Vergleiche zieht
zwischen dem 13jährigen und dem 30jährigen? Ich selbst habe mit
4 Jahren begonnen, meine Vorbilder waren Rubens, Dürer, ich war also
eher >akademischer Maler<. Die Anregung durch >Phantasten< gab's
damals ja noch nicht
Was mitunter wie Höhlenzeichnungen, Ballettkompositionen
oder Botschaften aus einer anderen Welt anmutet - Luigi malt aber auch
schon nackte Frauengestalten (Fuchs »Das ist normal, die Suche nach
dem Abenteuerlichen, und ganz unsexuell«} -, konnte sich prächtig
verkaufen lassen Doch bisher hat Zita La Speranza nur wenig >auf den Markt
geworfen »Wir haben Zeit«, erkärt sie.
Als Luigi 1969 mit sieben Jahren im Klassenzimmer seiner
Volksschule erstmals ausstellte, durften Publikum und Presse bloß
staunen, das US-Fernsehen fabrizierte ein 30-Minuten-Porträt, auch
der ORF berichtete
Erst 1971 wurde in Düsseldorf die Erste Verkaufsausstellung
veranstaltet - wobei die 20 Filzstiftzeichnungen in Kleinformat innerhalb
von 20 Minuten um durchschnittlich 3500 Schilling ihre Liebhaber gefunden
haben. Ähnliches wiederholte sich im Februar 73 im Wiener Künstlerhaus
(einige Exemplare kosteten schon 6000 Schilling) der Verkauf von Drucken
für Weihnachten wird erwogen.
Die wirklich bedeutenden Arbeiten aber werden in Mappen
gehütet und gehortet.
So kann sich der malende Gymnasiast, der die teure Privatschule
im Maurer Schlößl besucht und dort neben Latein und Griechisch
auch Sokenstricken lernt, nur hin und wieder etwas spendieren. Wobei auch
sein kleiner, >talentloser< Bruder Marcello nicht zu kurz kommt. Mutter
Zita: "Ich wollte Marcello Ballett studieren lassen, damit er sich nicht
zuruckgesetzt fühlt, aber er hat gesagt, es freut ihn nicht, eines
Tages schwere Tänzerinnen zu heben."
Ein >Wunderkind<, dieser Luigi, das man auf Sparflamme gesetzt hat.
Alles ist auf Dauer, auf Zukunft ausgerichtet. Schließlich heißt
er ja La Speranza, zu
deutsch >die Hoffnung<
ORF 1 Freitag, 7. Dez., 1973 21.20 Uhr:
>Gong(5) - das Kulturmagazin<
( Bild )Luigi La Speranza an dem kunstvollen
Tisch, den er als Weihnachtsgeschenk 1972 für seine Mutter bemalt
hat Für den kleinen Künstler gibt es keine Zweifel am eigenen
Talent!
Eva Ottawa |
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